Sexuelle Selbstzweifel
Versagensangst & Leistungsdruck beim Sex
Es besteht kein Zweifel daran, dass Angst in der Sexualität sich sowohl auf die Stärke der gemachten Erfahrungen (Quantität), wie auch auf den Genuss (Qualität) der Erfahrung eher negativ auswirkt.
Die Versagensangst kann sich in verschiedenen Bereichen des Erlebens abspielen.
Ursachen für die Angst:
– oberflächliche Gedanken
– tiefe verborgenen unbewusste Ängste
Versagensangst: Wie entsteht so etwas?
Was früher die Angst vor dem Sex war, ist heute die Angst vor dem sexuellen Versagen.
Das liegt darin begründet, dass anstatt einer tiefen liebenden oder romantischen Sexualität, mehr äußerlich und oberflächlich „gefummelt, gegrabscht oder darübergewischt“ wird.
Es fehlt die Langsamkeit, in derer sich wirkliche und intensive Gefühle der Lust, Zuneigung und Liebe entwickeln können.
Welche Versagensängste können entstehen?
Dem Anspruch äußerlich nicht zu genügen, zu gefallen oder nicht zu reichen, entspringt in vielen Fällen die Versagensangst.
Die Partner setzen sich unter einen inneren Druck, der das autonome Nervensystem in den Kampf- oder Fluchtmodus versetzt und die sexuelle Reaktion des Körpers hemmt oder unterbindet.
Sexuelle Versagensängste und Leistungsdruck können sich in ganz unterschiedlichen Momenten oder Situationen zeigen. Um dafür einen Überblick zu bekommen, stelle ich dir eine Liste von möglichen Szenarien zur Verfügung:
Die Unsicherheit nicht gut genug zu sein, sich zu blamieren oder peinlich berührt zu sein.
Viele Männer fürchten, dass die Partnerin den Sex als Enttäuschung erlebt und der Mann infolgedessen abgewertet wird. Er befürchtet, vor ihr nicht bestehen („stehen“) zu können.
Wenn er dann plötzlich merkt, dass sich bei ihm nichts tut, kommt in vielen Fällen ein Schamgefühl hinzu. Ihm ist es peinlich, dass er vor ihr buchstäblich versagt.
Selbstzweifel bis hin zu Angst nicht zu funktionieren.
Schon in den ersten Lebensjahren werden wir darauf gepolt, immer funktionieren zu müssen. Es beginnt mit Anforderungen in der Herkunftsfamilie, der Schule und setzt sich im Berufsleben fort.
Solche Prägungen haben einen starken Einfluss auch auf unser Sexualleben.
Wenn dieses „funktionieren müssen“ auch in sexuellen Situationen vorausgesetzt wird, dann setzen wir uns unter einen enormen inneren Druck.
Die Folge? Das Nervensystem geht auf Leistung und blockiert die autonomen entspannenden Prozesse, die eine Erektion aufbauen.
Die Angst davor kein richtiger Mann zu sein.
Bleibt er hart genug oder fällt die Erektion in sich zusammen? Alleine der Gedanke kann zu einer ständigen Selbstbeobachtung führen.
Du prüfst immer wieder, zum Beispiel durch Hinsehen, Anfassen oder Hineinspüren, ob er noch hart genug ist. Kleinste Anzeichen einer schwindenden Erektion, können dich verunsichern und die Versagensangst auslösen.
Die erotische Unsicherheit zu schnell zu Höhepunkt zu kommen.
Bindungsängste können belasten.
Ein erfüllendes Sexleben zwischen zwei Menschen fördert naturgemäß die Bindung und sorgt für eine fruchtende Beziehung.
Bindungsängstliche Menschen können unbewusst befürchten, dass die Beziehung intensiver wird. Die Versagensangst ist dann der rettende Schutzanker, wodurch es gelingt das Bedürfnis von Nähe und Distanz zu regulieren.
Wie wirst Du Deine Versagensangst wieder los?
Jede Form von Angst wirkt sich auf das autonome Nervensystem des Menschen aus. Deswegen empfehlen sich Methoden, die zu einer Beruhigung führen. Je nach Stärke der Versagensangst, können hier unterschiedliche Methoden gewählt werden.
Einfache und leichte Ängste lassen sich gut mit Atemübungen oder Entspannungsübungen bewältigen lassen, sind tiefer liegende Ängste mit erheblich mehr Aufwand zu lösen.
Hierzu kommen Methoden wie zum Beispiel die Hypnotherapie zum Einsatz. Damit ist es möglich, die Ursachen für die Ängste zu lösen, was dazu führt, dass der Angst der Nährboden entzogen wird.

Fragen und Antworten
Was kann ich meine Versagensangst beim Sex überwinden?
Angst vor etwas (z.B. Angst vor Sex) wird umso schlimmer, je mehr die angstbesetzte Situation vermieden wird. Diese Unterdrückung führt zu einer raschen Erleichterung der Angstgefühle. Auf Dauer wirkt das wie eine Belohnung für das Gehirn, obwohl das Sexualleben immer mehr eingeschränkt wird.
Es ist sehr wichtig nicht wegzulaufen, sondern sich den Ängsten zu stellen, um diese zu überwinden. Dadurch kann die Erfahrung entstehen, dass man damit zurechtkommt, was auch stärkt und das Selbstvertrauen fördert.
Wenn es zu starken Vermeidungsreaktionen kommt, dann werden Ängste stärker, können sich ausbreiten und in deren Folge zu sehr lebenseinschränkenden Problemen führen. Eine häufige Folge ist Scheidung, Depression oder Verlust von Status.
Was kannst du jetzt sofort gegen Versagensangst tun?
Fange damit an, eine einfache Atemtechnik zu erlernen. Dazu setzt oder legst du dich hin. Anschließend beginnst du kontrolliert zu atmen und zählst innerlich mit. Du atmest vier Sekunden ein, hältst den Atem für vier Sekunden an, um dann erneut mit diesem Vorgang zu starten. Wenn die vier Sekunden für dich zu kurz oder zu lange sind, passe diese Zeit an deinen Rhythmus an.
Bei dieser kleinen Übung solltest du merken, wie du ruhiger und ausgeglichener wirst und mehr in deine innere Mitte zurückgelangst.
Nachdem du das einstudiert hast, verwende diese Übung in einer sexuellen Situation, noch bevor die Angst aufkommt. Spreche mit deiner Partnerin darüber, damit sie Bescheid weiß. Ich wünsche dir viel Erfolg damit, du schaffst das.
Was steckt hinter meiner Versagensangst beim Sex?
Das ist eine Frage, die wir nicht pauschal beantworten können, weil es mannigfaltige Ursachen für Versagensangst geben kann. Sehr häufig sind negative Erlebnisse der Keim für die Angst.
Es gibt eine ganz spezielle Situation, in der es zu dem Problem gekommen ist. Dadurch entwickelt sich in der Folge eine Befürchtungsangst.
Das bedeutet, die Situation wird gemieden, um der Angst zu entfliehen. Somit entsteht die Angst vor der Angst, was zu einem starken Rückgang der Sexualität führen kann.
Sind es immer nur negative Erfahrungen die Ängste auslösen?
Nein. Sehr häufig werden in einer Sexualtherapie frühkindliche Erfahrungen entdeckt, die dann die Ursache für die Versagensangst gebildet haben. So können traumatische Erlebnisse, seelische Überlastungen, innere oder äußere Konflikte diese Zweifel fördern oder verursachen.
Sehr häufig stehen auch Verluste jeder Art hinter Versagensängsten. Trennungen der Eltern, plötzliche Verluste durch Tod einer nahestehenden Bezugsperson aber auch neue Partner können ausschlaggebende Gründe für die Entwicklung von Sexualängsten sein.
Die Gründe für diese Selbstzweifel sind so vielfältig wie zahlreich
In einigen Fällen ist ein Elternteil untreu gewesen und das Kind hat die Konflikte der Eltern miterlebt. Auch Rivalitäten in der Familie unter Geschwistern oder Eltern sind Ursachen für Versagensangst.
Seit etwa 10 Jahren ist die Überfürsorge eine Ursache für Versagensängste. Den Kindern wird fast alles abgenommen. Somit schaffen sie es nicht, wichtige Herausforderungen selbstständig zu überwinden, weil Mama oder Papa vorher einschreiten.
Das führt zu einem instabilen Selbstwertgefühl, welches sich auch in die sexuelle Selbstentwicklung hineinspielt.
Pornokonsum könnte Ängste auslösen
Übermäßiger Pornokonsum und der freie Zugang zu den digitalen Medien, bedingt oft Sexualängste. Durch die entstehende Entfremdung und die Anonymität im Online-Raum, bleiben wichtige Lernprozesse aus.
Es ist zu vergleichen mit einem Säugetier, das eingesperrt ist. Es lebt nur in seinem Käfig und kann wichtige Erfahrungen nicht machen. Somit verkümmert das Leben und vor allem auch das Liebesleben.
Ist meine sexuelle Versagensangst angeboren oder genetisch bedingt?
Das Gefühl der Angst ist genetisch angeboren. Welchen Inhalt die Angst sich sucht, entscheidet sich jedoch durch geprägte oder erlebte Erfahrungen. Wohingegen die Realangst natürlich ist und dem Überleben dient, so ist die Versagensangst im Bereich der Angststörung anzusiedeln.
Ängste müssen differenziert werden.
Realängste entstehen durch reale und bedrohliche Situationen für das Leib und Leben. Zum Beispiel: Wenn ein aggressiver und hungriger Löwe vor mir steht oder ich ohne Sicherung über eine tiefe Schlucht auf einem Seil balanciere und abstürzen könnte. In solchen Fällen ist die Angst sehr wichtig, weil sie Kräfte und Fähigkeiten verleiht, um zu überleben.
Eine Angststörung hingegen entspringt einer Schreckensfantasie. In der Realität gibt es nichts, was mein Leib und Leben bedroht.
In der Fantasie, meistens auf der unbewussten Ebene, hingegen schon. Da unser Gehirn grundsätzlich nicht entscheiden kann, zwischen Realität und Fantasie, reagiert der Körper mit ähnlichen Symptomen wie in der Realangst. Dazu gehört natürlich auch, dass die Sexualorgane in ihrer Funktion eingestellt werden. Die Energie wird dann woanders gebraucht.
Woher kommt meine sexuelle Versagensangst?
Versagensängste kommen aus den unbewussten Bereichen unseres Gehirns.
Ängste entstehen subkortikal, also im limbischen System durch eine Reihe von biochemischen und elektrischen Signalen. Diese Signale werden durch die Wahrnehmung von inneren oder äußeren Reizen hervorgerufen.
Das Unbewusste bewertet diese Reize in gut, lustvoll oder erfolgreich oder in schlecht, schmerzhalt oder erfolglos und aktiviert nach der Bewertung gelernte oder angeborene archetypische Programme, wodurch das denken, fühlen und handeln von uns Menschen entsteht.
Was kann ich gegen die Versagensangst beim Sex tun?
Du kannst zunächst mit dem Erleben von Bewältigungsstrategien beginnen. Hierzu eignen sich Entspannungsübungen oder Atemtechniken. Auch einfache Visualisierungstechniken sind einfach zu erlernen.
Sofern diese Selbstversuche nicht den gewünschten Erfolg bringen, bestehen tieferliegende Probleme.
In einem solchen Fall solltest du dir Hilfe suchen, da es sehr schwierig ist, ohne äußere Führung, Fachwissen und Hilfestellung die Ursachen der Versagensangst aufzulösen.
Wie befreie ich mich vom Druck der sexuellen Angst?
Indem du die unbewussten Ursachen auflöst, wird der Druck performen zu müssen nachlassen. Du wirst lernen auch mit Fehlversuchen zurechtzukommen und dein Selbstvertrauen so zu stärken, dass du auch in schwierigen Situationen weißt was du zu tun, zu denken oder zu sagen hast.
Mein „Nils Tipp“ gegen Versagensangst beim Sex
Auch wenn es einfach klingt. Akzeptiere deine Schwäche und die Angst, wenn diese aufkommt. Wenn du dagegen ankämpfst, wird es nur schlimmer werden. Druck erzeugt Gegendruck.
Fange an dich selbst zu reflektieren, indem du dein Fühlen, Denken und Handeln beobachtest und deine Erfahrungen aufschreibst.
Wenn du in einer ruhigen Situation bist, dann schaue dir deine Notizen an und überlege an welchen Stellen du Veränderungen unternehmen kannst.
Suche auch ein offenes Gespräch mit deinem Partner. Besprecht was du befürchtest und was du dir von deinem Partner wünschst, damit es für dich besser wird. Wenn Beziehungsprobleme im Vordergrund stehen, kann eine Sexualtherapie als Paar Sinn ergeben.
Gerne unterstütze ich auch dich dabei möglichst angstfrei zu werden.
Wissenschaftliche Grundlagen
1970 Masters, W. H., & Johnson, V. E. (1970).
Human sexual inadequacy (1. Aufl.). Bos-ton: Little, Studien
1986 Barlow, D. H. (1986). Causes of sexual dysfunction: The role of anxiety and cognitive interference.
Journal of Consulting and Clinical Psychology, 54(2), 140- 148.CrossrefPubMed
1996 Schmauch, U. (1996). Probleme der männlichen sexuellen Entwicklung.
In V. Sigusch (Hrsg.), Sexuelle Störungen und ihre Behandlung (S. 44-56). Stuttgart: Themen